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Technik - Mythen und Legenden - Diverses

  1. Dicke Gel-Sättel sind gut für lange Strecken.

    Dieser Mythos verbreitet sich in den letzten Jahren wie eine Seuche. Seit es für 9,90 DM beim Aldi Gelsättel von der Größe und dem Gewicht eines Wasserbetts gibt, glaubt noch der letzte, dass das sinnvoll sei. Abgesehen von dem komisch matschigen Gefühl scheint so ein Sattel den Druck gut zu verteilen. Das Problem ist nur, dass die menschliche Anatomie zum Sitzen die Sitzhöcker des Beckenknochens vorgesehen hat und nicht die gesamte erreichbare Fläche mit allen delikaten Einzelheiten. Wer wirklich längere Touren fährt, wird mit einem dicken Gelsattel mindestens die gleichen Probleme bekommen wie mit allen anderen Sätteln. Dabei muss man zwei Probleme unterscheiden: 1) Aufkommende Taubheit, d.h. man sitzt sich den Hintern platt, so dass die Blutzufuhr gedrosselt und Nerven abgeklemmt werden. Abgesehen von der Umgebung der Sitzhöcker ist besonders die männliche Anatomie dafür anfällig. 2) Wundscheuern. Dies ist besonders bei Frauen ein ernstes Problem und kann den Spaß nachhaltig verleiden.

    Beide Probleme treten umso weniger auf 1) je weniger Last auf dem Sattel liegt. 2) je mehr die Belastung auf die Sitzhöcker konzentriert ist. 3) je weniger empfindliche Hautpartien mit dem Sattel in Berührung kommen.

    Daraus lassen sich entsprechende Schlüsse ziehen: zu 1) Entlastung: Dazu tragen mehrere Dinge bei, nämlich eine mehr oder weniger vorgebeugte Haltung, die das Gewicht vom Sattel teilweise auf die Arme verlagert, Training, das dazu führt, dass größere Trittkräfte den Sattel (und die Arme) entlasten und regelmäßiges Aus-dem-Sattel-Gehen. Letzteres will geübt sein, ist aber letztlich die einzige Möglichkeit, um wirklich lange Strecken am Stück fahren zu können. zu 2) Unabhängig von Federung und Dämpfung durch Spiralfedern und Dämpfer muss die Satteldecke sehr straff sein. Nicht steinhart, aber doch recht unnachgiebig. Dieses Kriterium wird nach wie vor am besten von Kernledersätteln und von den meisten Rennsätteln im allgemeinen erfüllt. zu 3) Wenn der vorige Punkt erfüllt ist, dann ist die Gefahr des Wundscheuerns auch schon viel geringer. Besonders die weibliche Anatomie kann aber davon profitieren, wenn im Mittelbereich des Sattels Material ausgespart ist. Besonders die Damensättel von Terry haben hier einen guten Ruf.

  2. Eine aufrechte Sitzposition ist besser für den Rücken.

    In der Anfangszeit des Radfahrens im 19. Jahrhundert wetterten Orthopäden und andere selbsternannte Experten leidenschaftlich gegen jede Fahrhaltung, die auch nur im geringsten von der vertikalen abwich. Sie fuhren wohl selten Rad. Abgesehen vom hohen Luftwiderstand und vom zuvor beschriebenen Sitzproblem wird durch völlig aufrechtes Sitzen eine Fähigkeit des Menschen verschenkt, die es beim Auto nach 100 Jahren noch nicht serienmäßig gibt: Aktive Federung und Entlastung der Wirbelsäule. Je weiter vorgebeugt man sitzt, desto mehr Gewicht wird von der Wirbelsäule (und dem Hintern) auf Arme und Hände verlagert. Fahrbahnstöße werden von den Armen sehr effizient gedämpft. Bei zunehmender Vorlage besteht der Hauptgrund für Verspannungen darin, dass der Kopf von der Nackenmuskulatur gehalten werden muss. Dagegen hilft auch ein kräftiger Tritt nichts. Besonders beim Zeitfahren und Triathlon ist dies ein Problem und kann leider nur durch Übung verringert werden.

  3. System-Pedale sind unsicher.

    System-Pedale, landläufig Klick-Pedale genannt, stellen die sicherste und effizienteste Verbindung zum Pedal dar. Sie wurden ursprünglich von der Skibindung abgeschaut (dort auch "Sicherheitsbindung" genannt, ach was!). Man kann damit nicht vom Pedal rutschen, aber im Falle eines Falles löst sich die Verbindung automatisch. Seit der Einführung des SPD-Systems kann man mit System-Schuhen auch ganz normal laufen.

  4. Sprengringe verhindern das Lösen von Schrauben.

    Schraubverbindungen lösen sich nur dann nicht, wenn das Anzugsdrehmoment eine ausreichende Vorspannung der Verbindung sicherstellt. Dies ist unabhängig von Unterlegscheiben und Sprengringen. Sprengringe haben eine viel zu geringe Steifigkeit, um unter Wechselbelastung die Vorspannung über einen nennenswerten Dehnungsbereich verteilen zu können.


© D. Bettge; letzte Änderung: 10.4.2002