Die berufliche Seite - Dissertation


Mikrostrukturelle Untersuchungen zum Verformungs- und Bruchverhalten der Nickelbasislegierungen SC16 und IN738LC

D. Bettge, Januar 1997

Als Buch erschienen im Verlag Dr. Köster, Berlin, 1997.

Ziele dieser Arbeit waren die vergleichende Beschreibung des Verformungs- und Bruchverhaltens der polykristallinen Legierung IN738LC und von [001]-nah orientierten SC16-Einkristallen über einen großen Temperaturbereich sowie die Herstellung von Zusammenhängen zwischen Versetzungs- und Bruchmechanismen. Besonderes Augenmerk galt dem Tieftemperaturbereich bis 450°C, dabei insbesondere der Stapelfehlerbildung in der γ'-Phase, dem Fließspannungsminimum im Zugversuch und der zusätzlichen zyklischen Verfestigung in diesem Temperaturbereich. Spezifische Unterschiede zwischen beiden Werkstoffen sollten herausgearbeitet werden. Dazu wurden hauptsächlich mikroskopische Methoden, insbesondere die Transmissions-Elektronenmikroskopie eingesetzt.

Die Ausgangsgefüge wurden untersucht. Beide Werkstoffe hatten die übliche Standardwärmebehandlung erfahren und wiesen daher eine bimodale γ'-Verteilung auf. An SC16 wurden Auslagerungsversuche bei 950°C vorgenommen und die Veränderung der γ'-Morphologie beschrieben.

Die Temperaturabhängigkeiten der Verformungsmechanismen von SC16 und IN738LC sind vergleichbar mit den in der Literatur bezüglich einkristalliner Superlegierungen mit höheren γ'-Volumenanteilen beschriebenen. Beginnend bei Raumtemperatur treten mit steigender Temperatur folgende Mechanismen auf: Tieftemperatur-(LT-)Stapelfehler, Antiphasengrenzen-gekoppelte Versetzungspaare, Hochtemperatur-(HT-)Stapelfehler und Orowan-Ringe um die γ'-Teilchen. Das Fließspannungsminimum des IN738LC bei 450°C kann einem Wechsel im Verformungsmechanismus zugeordnet werden. Die Mechanismenwechsel finden bei SC16 bei höheren Temperaturen statt als bei IN738LC.

Von Raumtemperatur bis 750°C wird bei IN738LC im LCF-Bereich bei out-of-phase-Versuchen eine zusätzliche zyklische Verfestigung beobachtet, die ihr Maximum bei 450°C hat. Bei dieser Temperatur wird die plastische Verformung durch a/2<110>-Versetzungspaare erzeugt, die die γ'-Phase parallel zu {111} schneiden. Während der out-of-phase-Versuche werden zusätzliche Gleitsysteme auf verschiedenen {111}-Ebenen aktiviert, was zu einer erhöhten Dichte von unbeweglichen Versetzungen führt. Bei höheren Temperaturen können Versetzungen γ'-Teilchen und andere Hindernisse durch Quergleiten und Klettern umgehen.

Beim SC16 lassen sich LT- (bis 750°C) und HT-Bruchverhalten (ab 750°C) klar unterscheiden. Ersteres zeigt sich in großflächigem Abscheren und Bruchinitiierung an der Probenoberfläche. Der HT-Bruch wird an Poren im Innern initiiert und führt zu einem "Teller-Tasse"-Bruch mit einer ringförmigen Scherlippe im äußeren Bereich.

Beim IN738LC hingegen treten die beim SC16 gefundenen Elemente in den Bruchflächen nur in untergeordneter Weise hervor. Der Rissverlauf ist fast immer interdendritisch und nur zum Teil transkristallin. Primärkarbide werden im LT-Bereich gespalten, im HT-Bereich abgelöst. Minima der Temperaturabhängigkeit der Bruchdehnung des IN738LC gehen jeweils mit lokalisierter Gleitung in einzelnen Gleitbändern einher. Immer wenn bei einer bestimmten Temperatur ein neuer Verformungsmechanismus einzusetzen beginnt, werden inhomogene Gleitverteilungen beobachtet, die zu einer geringen Verformbarkeit führen.


© D. Bettge; letzte Änderung: 12.4.2000